Neue Spielräume für Entlastungen
Lindner hat in seiner Rede ein Detail verkündet, das Spielräume in Milliardenhöhe schafft. Beim zweiten Entlastungspaket ist jetzt Knausern verboten!
Üblicherweise reden Politiker viel, aber sagen wenig. Christian Lindner beherrscht diese Kunst wie kein zweiter. Verfolgt man als Politiklaie Reden im Bundestag, ist es deshalb oft schwierig, das Wichtige vom Unwichtigen oder das Neue vom bereits Bekannten zu unterscheiden. Dabei können wenige Sätze mit kleinen Details manchmal einen großen politischen Unterschied machen. So war es auch heute!
Denn heute hat Christian Lindner in seiner Rolle als Finanzminister den ersten Ampel-Haushalt im Bundestag vorgestellt. Was in dem Haushalt drin ist und was fehlt, habe ich bereits in diesem Artikel aufgedröselt. Viel spannender ist aber das, was nicht direkt mit dem vorgelegten Haushalt zu tun hat.
Denn beim heutigen Haushaltsentwurf wird es nicht bleiben. Lindner hat bereits einen Ergänzungshaushalt angekündigt. Der soll dann ein zweites Entlastungspaket gegen die gestiegenen Energiepreise sowie Ausgaben für humanitäre Hilfe und ukrainische Entwicklungshilfe enthalten. Stand heute würden all diese Ausgaben den regulären Haushalt belasten und unter die Schuldenbremse fallen. Denn die Schuldenbremse ist bisher nur für die Pandemieausgaben ausgesetzt, für alle anderen Ausgaben gilt sie weiter. Schon die 100 Bundeswehrmilliarden fallen nicht unter die Ausnahmeregelung und müssen deshalb über ein Sondervermögen im Grundgesetz aufwendig und mit 2/3-Mehrheit an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden. Zur Erinnerung: Das Grundgesetz erlaubt die Aussetzung bei "Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen" - darunter fällt zwar die Pandemie, die marode Bundeswehr aber nicht.
Was aber sehr wohl unter die Definition der “Notsituation” fallen könnte, wären Ausgaben im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Und genau das hat Lindner heute in seiner Rede angekündigt. Er sagte:
„Wir werden die Begründung für das Überschreiten der Regelobergrenze der Verschuldung nach Artikel 115 des Grundgesetzes dann auch für den Ergänzungshaushalt anpassen und über die Corona-Pandemie hinaus auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung des Ukraine-Krieges ausdehnen.“
Klingt technisch und langweilig, ist aber ein Hammer! Die Ausnahme der Schuldenbremse muss jedes Jahr im Parlament neu beschlossen werden. Bisher wurde das für 2020 und 2021 mit der Pandemie begründet. 2022 wird die Ampel neben der Pandemie auch den Ukraine-Krieg als Tatbestand der “Notsituation” hinzufügen. Dafür braucht es anders als bei Grundgesetzänderungen auch keine 2/3-Mehrheit, sondern nur die sogenannte Kanzlermehrheit. Die Kanzlermehrheit ist erfüllt, wenn die Mehrheit der 736 Abgeordneten des Bundestags muss zustimmen. Kein Problem für die Ampel!
Wenn das so kommt, kann beim Entlastungspaket und den Hilfen für die Ukraine geklotzt werden. Und zwar ohne Kürzungen in anderen Bereichen des Haushalts notwendig zu machen. Lediglich die Tilgung der Schulden fällt wieder unter die Schuldenbremse, kann aber auch mit Kanzlermehrheit weit in die Zukunft gestreckt werden. So hat zum Beispiel die GroKo noch vorgehabt, schon 2023 mit der Tilgung der Corona-Schulden zu beginnen, doch die Ampel hat in einer der ersten Amtshandlungen die Tilgung gleich auf 2028 verlegt - und von 20 auf 30 Jahre gestreckt.
Gerade bei der Debatte um die Entlastung von den hohen Energiepreisen wurde die Debatte häufig unter der Prämisse geführt, dass die finanziellen Spielräume klein seien. Weil der Bund sich nicht so viel leisten könne, müssten die Ausgaben umso zielgenauer sein. Diese Prämisse hat das zweite Entlastungspaket zur Hängepartie und zum Konfliktpunkt zwischen den Ampelparteien gemacht, wird mit diesem klugen Schachzug aufgelöst. Auf welche Entlastungen sich die Ampel einigt - ob Tankrabatt, Steuersenkung oder Mobilitätsgeld -, bleibt abzuwarten. Am Geld muss es dann aber nicht mehr scheitern. Meine Bitte: keine falsche Zurückhaltung. Klotzen, nicht kleckern!
Außerdem nimmt dieser Schachzug den Druck aus der in Deutschland seit 2015 besonders aufgeheizten Flüchtlingsdiskussion. Die Aufnahme der vielen Ukrainer, die vor dem schrecklichen Krieg geflohen sind, wird selbst unter Finanzminister Lindner keine Kürzungen an anderer Stelle notwendig machen. Ebenso auch nicht humanitäre Programme oder Entwicklungshilfe, die in die Ukraine fließen. Das ist eine gute Nachricht, eine sehr gute sogar!
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