Die Staatshilfe für Disney-Schiffe ist richtig
Der Bund und das Land Niedersachsen retten die insolvenzbedrohte Meyer Werft. Darum ist das nötig und die Entscheidung richtig
Kreuzfahrtschiffe sind Klimakiller, ohne Zweifel. Und trotzdem ist es richtig, die Firma zu retten, die diese schwimmenden Fress-Sauf-Party-Inseln baut: die Meyer Werft. Sie wurde zwar von Corona kalt erwischt, vom Management schlecht geführt und hatte 2015 ihren Firmensitz nach Luxemburg verlegt, um keinen Aufsichtsrat in Deutschland einrichten zu müssen; aber sie hat volle Auftragsbücher, gibt rund siebentausend Menschen direkt und 18.000 Menschen indirekt (inklusiven Zulieferern) Arbeit – und hat eine strategische Bedeutung über die Kreuzfahrt hinaus. Die Werft baut nämlich Tanker für die Marine und Konverterplattformen, um den Strom von Offshore-Windparks an Land zu befördern. Gut, beides in Deutschland zu haben.
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Das Ausgangsproblem: Die Meyer Werft hat zwar elf Milliarden an neuen Aufträgen in ihren Büchern, darunter vier Kreuzfahrtschiffe für Disney, aber sie ist nicht mehr flüssig und hat sich nicht gegen steigende Preise abgesichert. Wegen Corona sind viele Schiffe erst verspätet fertig geworden und wegen der Energiekrise in der Produktion teurer geworden als gedacht (Stichwort: gestiegene Baupreise). Das war gleich doppelt bitter für die Werft, denn zum einen ist der Kaufpreis später geflossen und zu anderen ist er gemessen an den Kostensteigerungen eigentlich zu gering ausgefallen. Im Schiffbau ist üblich, dass der Preis bei Auftragserteilung vereinbart wird, aber 80 Prozent des Auftragsvolumens erst bei Auslieferung gezahlt werden. Deshalb fehlen der Werft jetzt rund 2,7 Milliarden – und die Insolvenz steht vor der Tür.
Wer hofft, die Insolvenz hätte zu weniger klimaschädlichen Kreuzfahrtreisen geführt, irrt.
Bund und Niedersachsen bürgen für die Werft
Dass die Banken trotz voller Auftragsbücher mit Milliarden-Krediten vorsichtig sind, ist nachvollziehbar. Deshalb springt der Staat jetzt ein. Der Bund und das Land Niedersachsen bürgen mit jeweils 900 Millionen Euro für neue Bankkredite – und verpassen der Werft eine Eigenkapitalspritze von satten 400 Millionen Euro.
Allerdings nicht ohne Gegenleistung. Denn dadurch gehören dem Staat bald 80 bis 90 Prozent der Firmenanteile, er wird beteiligt an den Gewinnen und verlangt eine Verzinsung der Staatsgelder. Darüber hinaus sollen ein Aufsichtsrat und ein Konzernbetriebsrat geschaffen, der Unternehmenssitz von Luxemburg nach Deutschland zurückverlegt und die Jobs bis 2030 gerettet werden.
Vernünftige Bedingungen, die SPD-Kanzler Scholz und SPD-Ministerpräsident Weil auch politisch für sich nutzen können und werden. Zur Inszenierung sind beide schon in dieser Woche zur Werft gefahren und haben mit Helm auf dem Kopf zur Belegschaft gesprochen. Solche Bilder liebt jeder Politiker. Und die SPD hat sie nach all dem Imageschaden zuletzt bitternötig.
Damit die Werft in Zukunft aber wieder den Weg vom Staatsbetrieb zum Familienunternehmen zurückfindet, gibt es für die Familie Meyer einen Platz im Aufsichtsrat und ein Rückkaufsrecht. Scholz betonte, der Staatseinstieg sei nur befristet. In ein paar Jahren soll die Meyer Werft wieder auf eigenen Füßen stehen.
Staatshilfen laufen abseits der Schuldenbremse
Da Firmenbeteiligungen als finanzielle Transaktion gelten, werden die Staatsgelder nicht auf die Schuldenbremse angerechnet. Der Haushaltsstreit der Ampel kann hier also nicht in die Quere kommen. Und das Beispiel der Lufthansa-Rettung während Corona zeigt: Retten kann sich sogar für die Staatskasse lohnen. Für 306 Millionen Euro ist der Staat damals eingestiegen und nach zwei Jahren für 1,07 Milliarden Euro wieder ausgestiegen. Sprich: Mit einem Plus von 760 Millionen Euro.
Die Betonung liegt auf: „kann“ sich finanziell lohnen, muss sich aber nicht. Der Staat ist ja kein Private-Equity-Investor. Arbeitsplätze, Zulieferer und systemrelevante Produktion zu sichern, ist ohnehin wichtiger als die Rendite. Und natürlich endet nicht jede Rettung mit Gewinnen. Bei der Rettung der Commerzbank oder Galeria Kaufhof ging jeweils Geld verloren.
Apropos Systemrelevanz: Die Meyer Werft ist nach dem Werftensterben der vergangenen Jahrzehnte der größte und wichtigste verbliebene Player im deutschen Schiffbau. International steht Meyer in Konkurrenz mit Werften, die ebenfalls von ihren Regierungen gestützt werden. Zum Beispiel in Italien oder China. Im Insolvenzfall wanderten die Aufträge und die industrielle Kapazität genau dorthin – und wären für Deutschland verloren.
Wer hofft, die Insolvenz hätte zu weniger klimaschädlichen Kreuzfahrtreisen geführt, irrt. Die würden dann nur woanders gebaut. Dafür hätte Deutschland aber die letzte große Industriekapazität im Schiffbau verloren. Weniger Kreuzfahrten erreicht man mit strengeren Auflagen oder höheren Steuern, idealerweise mit anderen Ländern abgestimmt, aber nicht mit einer Insolvenz.
Als Olaf Scholz die Werft ein „industrielles Kronjuwel“ nannte, hat er vielleicht etwas zu dick aufgetragen. Aber strategisch wichtig ist sie schon – und die Rettung deshalb nachvollziehbar.
Ich stimme dir nicht ganz zu
Es wäre nur nachvollziehbar das zu tun wenn der Staat die ganze Verantwortung nehme und dieser Erbefamilie keine besonde Rolle im Aufsichtsrat hätte.
Wenn der Staat diese Firma später privatisieren will, dann sehe ich keinen Grund warum die Meyerfamilie eine besondere Rolle spielen sollte, es sind nur Erber, was keine Kompetenz in einer Demokratie gewährleistet
Ausserdem musste der Staat eine Änderung der Produktion fordern, dh eine Orientierung zu den erneuerbaren Energie und progressiv aufhören mit der Kreuzfahrtschiffeherstellung.
Dass die Schiffe dann jemand anderes baut, halte ich für ein schwaches Argument. Gebaut werden die in der Meyer Werft, weil das die billigsten zur gewünschten Qualität waren, oder nicht? Heißt: ohne Meyer Werft würde der Preis für Kreuzfahrtschiffe steigen und auch die angezahlten nie gelieferten Aufträge würden den Auftraggebern weh tun. Würde nicht beides Kreuzfahrtschifffahrt verteuern?
Zweiter Punkt: Angeblich laufen doch heute etwa 40% der Tonnage in der Schifffahrt für den Transport fossiler Kraftstoffe. Ein bisschen Transportkapazität für Windkraftparks, schön und gut - aber insgesamt dürften wir in Zukunft doch viel weniger Schifffahrt benötigen, wenn wir nicht mehr so viel Öl, Kohle und Gas um die Welt schippern. Ist das also nicht eher eine Branche, in der -vorausgesetzt das mit der Klimakrise bekommen wir irgendwie hin- viel weniger Produktionskapazitäten erforderlich sein werden?