Was macht Merz mit Spahn?
Macht Bald-Kanzler Merz den Ex-Minister Spahn zum Fraktionschef oder zum Wirtschaftsminister?
Friedrich Merz hat ein Problem. Und das lautet: Jens Spahn. Wohin mit ihm? Fraktionsvorsitz oder Wirtschaftsminister? Tatsächlich spricht vieles für einen erneuten Ministerposten. Zum einen sind Spahns größte Konkurrenten um den Ministerposten längst abgesprungen. Carsten Linnemann hat erst gestern erklärt, zu verzichten, um Generalsekretär zu bleiben. Und Julia Klöckner wurde schon vor Wochen zur Bundestagspräsidentin befördert. Vorsorglich wegbefördert, könnte man wohl sagen.
Zum anderen braucht Merz an der Fraktionsspitze einen loyalen Genossen. Und keinen machthungrigen und angriffslustigen Strategen wie Jens Spahn, der für die CDU seine ganz eigene Agenda hat – die Partei weiter nach rechts zu rücken – und selbst auf höhere Ämter schielt: zum Beispiel den Parteivorsitz und das Kanzleramt. Der entscheidende Unterschied zwischen den Posten: Minister sind vom Kanzler abhängig, Fraktionschefs nicht. Und als solcher wäre Spahn mächtig wie nie, weil er die Abgeordneten der Union zu seinen eigenen Gunsten und gegen die Merz’ Regierung organisieren könnte. Zur Erinnerung: Kohl, Merkel und Merz bekleideten alle den Fraktionsvorsitz, bevor sie Kanzler wurden.
Es klingt kontraintuitiv, aber: Merz könnte Spahn bremsen, indem er ihn erneut zum Minister macht. Dann nämlich wäre er Merz unterstellt, zu Loyalität verdammt und müsste als Wirtschaftsminister selbst liefern. Und genau das, als Wirtschaftsminister zu liefern, dürfte schwierig werden, wenn der Ukrainekrieg weiter tobt, Trump die deutsche Exportindustrie mit Zöllen schwächt – und die geplanten Senkungen der Unternehmensteuer nicht zum gewünschten Investitionsbooster werden (siehe dazu auch diese Analyse). Springt die Wirtschaft nicht an, sondern kriselt weiter, wird der Wirtschaftsminister dafür verantwortlich gemacht und muss an Beliebtheit und Zuspruch in der Bevölkerung einbüßen. Robert Habeck kann davon ein Lied singen. Gerade deshalb könnte Merz den Posten für Spahn vorsehen, um ihn langfristig zu schwächen. Man munkelt, auch Carsten Linnemann habe auf den Posten verzichtet, weil das Wirtschaftsministerium in diesen Zeiten ein Karriere-Ende-Ministerium sein kann.
Aus Kompetenzgründen müsste Merz auf Spahn im Kabinett verzichten, aus Machtgründen wird er es wohl nicht können.
Spahns Minister-Schatten
Ein Blick in den Rückspiegel zeigt allerdings auch: Jens Spahn ist kein guter Minister. Und schon gar kein Wirtschaftsexperte. Stichwort: Maskendeals. Erst vor einem Monat wurde bekannt, dass das Bundesgesundheitsministerium und das bayerische Gesundheitsministerium sich einem Ermittlungsverfahren in der Schweiz gegen den Maskenlieferanten Emix angeschlossen haben, um Geld wegen Wucherpreisen zurückzubekommen.
Wucherpreise, die Spahn an die zwei Jungunternehmer von Emix gezahlt hatte. 5,58 Euro netto pro FFP2-Maske. Und das obwohl ihm zeitgleich das Open-House-Ausschreibungsverfahren um die Ohren flog (siehe hier) und er auch dort mit zu teuren Masken (4,50 Euro pro FFP2-Maske) von Lieferanten zugeschüttet wurde. Um das selbst angerichtete Chaos bei der Maskenbeschaffung einzufangen, holte Spahn dann noch die Unternehmensberater von EY (wiederum ohne Ausschreibung) für zweistellige Millionenbeträge ins Haus und versuchte mit windigen Mitteln, aus den vielen geschlossenen Lieferverträgen herauszukommen.
Aus eben jenem Versuch resultieren aber noch heute über 100 anhängige Klagen von geprellten Lieferanten, die nicht liefern durften und nicht bezahlt wurden. Der amtierende Gesundheitsminister Lauterbach schätzte in einer Ausschusssitzung letzten Sommer die daraus resultierende Schadensersatzsumme auf 2,3 Milliarden Euro. Plus Verzugszinsen und Rechtskosten für teure Anwaltskanzleien, die das Bundesgesundheitsministerium dafür angeheuert hat, dürften daraus gut und gerne 3,5 Milliarden Euro werden. Obendrauf kommt, dass Zweidrittel aller von Spahn beschafften Masken verschrottet und nie genutzt wurden. Kostenpunkt: rund vier Milliarden.
Gegen die Minister-Performance von Spahn war das Mautdebakel von Scheuer ein Kindergeburtstag. Dass Spahn heute, drei Jahre später, trotzdem wieder als Minister gehandelt wird, zeigt: Bei Ministerposten geht es mehr um Macht und Parteigeklüngel als um Kompetenz. Aus Kompetenzgründen müsste Merz auf Spahn im Kabinett verzichten, aus Machtgründen wird er es wohl nicht können. Mal sehen, wie er sich entscheidet.
Das verzeihe ich Ihnen nicht, Herr Spahn
Herzlichen Glückwunsch, Herr Spahn. Das schafft nicht jeder: Einen Minister-Skandal, der 15-Mal größer ist als der Maut-Skandal von Andi Scheuer. Genauer gesagt: 3,5 Milliarden Euro, vielleicht noch mehr.
Herr Linnemann ist geschickt. Wahrscheinlich sieht Herr Linnemann die Koalition auf tönernen Füßen? ... Naja... und Herrn Spahn... (oder auch allgemein): Warum können Politiker nicht einer Haftung zugeführt werden? Selbst Mitarbeiter der freiwilligen Feuerwehr (!) werden bei grob fahrlässigem/vorsätzlichem Handeln bestraft... das wäre bei Scheuer/Spahn und Co. doch denkbar. Maurice: Hast du eine Idee?
Das "Gefolge" von Herr Merz ist nicht unbedingt mit Kompetenz gesegnet, das klingt nach eher "Abstiegskampf" als nach Aufbruchstimmung.